Festnahmen im Kosovo nach Explosion an Versorgungskanal - Serbien bestreitet Beteiligung / Foto: Armend NIMANI - AFP
Nach einer folgenschweren Explosion an einem für die Energieversorgung wichtigen Kanal im Kosovo sind mehrere Menschen festgenommen worden. Die Behörden hätten mehrere Verdächtige gefasst, sagte Kosovos Regierungschef Albin Kurti am Samstag bei einem Besuch am Ort der Explosion im Norden des Landes. Das Nachbarland Serbien wies jegliche Beteiligung an dem Vorfall zurück. Die Europäische Union sprach von einem "Terrorangriff", auch Deutschland, die USA, Frankreich und die Türkei verurteilten die Explosion aufs Schärfste.
Neben den Festnahmen wurden laut Kurti Durchsuchungen vorgenommen sowie "Zeugenaussagen und Beweise gesammelt". Die "Kriminellen und Terroristen werden sich der Justiz und dem Gesetz stellen müssen", sagte er.
Innenminister Xhelal Svecla sprach vom "schwersten Angriff auf kritische Infrastruktur im Kosovo seit Kriegsende". Acht Verdächtige seien festgenommen worden. "Das ist kein banaler Angriff, sondern eine von professionellen Terrororganisationen vorbereitete Tat", fuhr er fort. Polizeichef Gazmend Hoxha sagte, dass bei dem Einsatz 200 Militäruniformen, sechs Granatwerfer, zwei Gewehre, eine Pistole, Masken und Messer beschlagnahmt worden seien.
Die Explosion hatte sich am Freitag an dem wichtigen Ibar-Lepenac-Kanal nahe des Ortes Zubin Potok im Nordkosovo ereignet. Dabei wurde ein Versorgungskanal beschädigt, der die Kühlsysteme von zwei Kohlekraftwerken speist, die den größten Teil des Stroms im Kosovo liefern. Der Kanal verläuft vom mehrheitlich von Serben bewohnten Norden des Kosovo bis in die Hauptstadt Pristina und dient auch der Trinkwasserversorgung für Hunderttausende Menschen.
Auf in örtlichen Medien veröffentlichten Bildern war zu sehen, wie Wasser aus einem Loch in der Betonmauer des Kanals austrat.
Kosovos Regierungschef sprach bereits unmittelbar nach dem Vorfall von einem "terroristischen Angriff" und machte "serbisch geführte Banden" dafür verantwortlich. Serbien verurteilte den Vorfall am Samstag als "inakzeptablen Sabotageakt" und wies die Anschuldigungen aus dem Nachbarland nachdrücklich zurück.
Es handele sich um "verantwortungslose" und "unbegründete Anschuldigungen", kritisierte der serbische Präsident Aleksandar Vucic in einer AFP vorliegenden Stellungnahme. "Solche unbegründeten Behauptungen zielen darauf ab, Serbiens Ruf zu trüben, sowie darauf, Bemühungen um Frieden und Stabilität in der Region zu unterlaufen", erklärte er. Am Sonntag sprach Vucic von einem "Versuch eines hybriden, großen und heftigen Angriffs gegen unser Land". Serbien habe "nichts damit zu tun". Belgrad erkennt die Unabhängigkeit der ehemaligen serbischen Provinz nicht an.
Der serbische Außenminister Marko Djuric deutete im Onlinedienst X an, dass nicht Belgrad, sondern die Regierung in Pristina selbst an dem Vorfall "potenziell beteiligt" sein könnte. Er forderte eine internationale Untersuchung. Auch die wichtigste Partei der Serben im Kosovo, die Serbische Liste, verurteilte den Angriff "aufs Schärfste".
Kurti warnte kurz nach der Explosion vor Stromausfällen in Teilen des Kosovo. Sein Wirtschaftsminister Artane Rizvanolli teilte später mit, dass die Stromversorgung reibungslos verlaufe. Die Behörden hätten eine alternative Methode zur Kühlung der Kraftwerke gefunden. Die Reparaturarbeiten waren nach Behördenangaben im Gange. Die von dem Kanal ausgehende Wasserversorgung sei mittlerweile zu 25 Prozent wiederhergestellt worden, hieß es.
Die Europäische Union verurteilte die Explosion als "Terrorangriff". "Es handelt sich um einen verabscheuungswürdigen Sabotageakt gegen die kritische zivile Infrastruktur des Kosovo, die einen beträchtlichen Teil der kosovarischen Bevölkerung mit Trinkwasser versorgt und ein wesentlicher Bestandteil des kosovarischen Energiesystems ist", erklärte der ehemalige EU-Außenbeauftragte Josep Borrell.
Auch Deutschland verurteilte den "Terroranschlag auf die kritische Infrastruktur des Kosovo aufs Schärfste". Die Verantwortlichen müssten zur Rechenschaft gezogen werden, erklärte das Auswärtige Amt.
Kritik kam auch aus den USA, Frankreich und der Türkei. Auch die Nato-geführte KFOR-Schutztruppe für den Kosovo mahnte zu Zurückhaltung. Die Soldaten sorgten für Sicherheit in der Umgebung und böten den kosovarischen Behörden ihre Unterstützung an, hieß es in einer Erklärung.
Im Nordkosovo kam es in den vergangenen Jahren immer wieder zu gewalttätigen Zwischenfällen. Bei dem jüngsten Vorfall Anfang der Woche warfen Angreifer Handgranaten auf ein städtisches Gebäude und eine Polizeiwache. Zu der schwersten Eskalation seit Jahren war es Ende September 2023 nach einem tödlichen Angriff eines paramilitärischen serbischen Kommandos auf eine kosovarische Polizei-Patrouille gekommen. Dabei überfielen rund 30 Bewaffnete eine kosovarische Polizei-Patrouille, ein Polizist wurde damals getötet.
Das 1,8-Millionen-Einwohner-Land Kosovo mit seiner mehrheitlich albanischen Bevölkerung hatte im Jahr 2008 seine Unabhängigkeit von Serbien erklärt. Sowohl Serbien als auch das Kosovo gehören zu einer Gruppe von insgesamt sechs Ländern auf dem Westbalkan, die einen EU-Beitritt anstreben. Die EU verlangt von beiden Seiten, ein Abkommen zur Normalisierung der Beziehungen zu schließen. Am 9. Februar soll im Kosovo eine Parlamentswahl abgehalten werden.
P.Mueller--BD