Trotz Verdachts auf Schütteltrauma: Eltern bekommen Sorgerecht für Kind zurück / Foto: THOMAS KIENZLE - AFP/Archiv
Eltern aus Niedersachsen bekommen das Sorgerecht für ihr Kleinkind zurück, obwohl der Verdacht im Raum steht, dass sie es als Baby heftig schüttelten. Das Bundesverfassungsgericht nahm nach Angaben vom Freitag die Verfassungsbeschwerde gegen den entsprechenden Beschluss des Oberlandesgerichts Braunschweig nicht zur Entscheidung an. Der Verfahrensbeistand des kleinen Mädchens hatte sich an die Karlsruher Richterinnen und Richter gewandt. (Az. 1 BvR 1404/24)
Diese erklärten nun, dass der Beschluss aus Braunschweig der verfassungsrechtlichen Prüfung noch standhalte. Das Oberlandesgericht hatte den Eltern Auflagen erteilt. Zum Beispiel müssen sie mit dem Kind so lange in einer Eltern-Kind-Einrichtung bleiben, wie es das Jugendamt festlegt. Danach müssen sie ambulante Maßnahmen in Anspruch nehmen.
Im November 2022 gingen die Eltern mit dem damals vier Wochen alten Baby in ein Krankenhaus, weil es auffällig geschrien habe und dann erschlafft sei. Die Untersuchung zeigte Verletzungen der harten Hirnhaut und des Hirngewebes. Das Kind wurde operiert und wieder gesund. Das Jugendamt wurde informiert. Das Institut für Rechtsmedizin der Klinik kam zu dem Ergebnis, dass wahrscheinlich ein Schütteltrauma die Verletzungen auslöste.
Ein Sorgerechtsverfahren wurde eingeleitet. Das Amtsgericht Helmstedt als Familiengericht befragte einen Sachverständigen und zeigte sich davon überzeugt, dass der Säugling zweimal von einem Elternteil so heftig geschüttelt worden war, dass er potenziell lebensgefährliche Schütteltraumata erlitten habe. Es entzog ihnen einen großen Teil des Sorgerechts.
Auf die Beschwerde der Eltern hin hob das Oberlandesgericht diesen Beschluss auf und sprach den Eltern das Sorgerecht zu, allerdings unter Auflagen. Um das Kindeswohl zu sichern, müsse das Kind nicht zwingend anderswo leben, erklärte es. Das Mädchen sei mittlerweile älter, das Risiko für ein Schütteltrauma sei deutlich gesunken. Eine Kindeswohlgefährdung in der Zukunft könne mit hinreichender Sicherheit auch durch andere Maßnahmen vermieden werden.
Der Anwalt des Mädchens sah in dieser Entscheidung eine Verletzung des Schutzanspruchs des Kinds gegen den Staat und wandte sich an das Verfassungsgericht. Dieses fand aber keine deutlichen Fehler in der Prognose des Oberlandesgerichts, die sich auf die Einschätzungen von Sachverständigen stützte.
F.Varghese--BD