Frankreichs nächste Regierung steht so gut wie fest. Die offizielle Bekanntgabe wird bis Sonntag erwartet, "nach den üblichen Prüfungen", wie das Amt des Premierministers mit Blick auf die Kontrolle möglicher Interessenskonflikte am Freitag mitteilte. Frankreichs Premierminister Michel Barnier hatte Präsident Emmanuel Macron am Vorabend eine Liste mit 38 Kabinettsmitgliedern vorgelegt.
Nach Angaben aus bisherigen Regierungskreisen soll der derzeitige Europaminister Jean-Noël Barrot Außenminister werden. Der 41-Jährige gilt als überzeugter Europäer und war in seiner bisherigen Funktion auch für die deutsch-französischen Beziehungen zuständig.
Verteidigungsminister Sébastien Lecornu bleibt nach Angaben aus bisherigen Regierungskreisen im Amt. Der konservative Politiker Bruno Retailleau, bislang Fraktionschef der Republikaner im Senat, soll nach übereinstimmenden Informationen neuer Innenminister werden. Der bisherige Amtsinhaber Gérald Darmanin kündigte bereits an, dass er die Regierung verlassen werde. Er hatte sich vergeblich um den Posten als Außenminister bemüht.
Wirtschaftsminister Bruno Le Maire scheidet auf eigenen Wunsch aus der Regierung aus. Er soll durch zwei Macron nahestehende Politiker ersetzt werden, Antoine Armand als Minister für Wirtschaft und Industrie und Matthieu Lefèvre als Haushaltsminister. Barnier hatte in den vergangenen Tagen betont, dass er keine globale Steuererhöhung plane.
Der Fraktionschef der Republikaner in der Nationalversammlung Laurent Wauquiez erklärte, dass er das Angebot abgelehnt habe, Wirtschaftsminister zu werden. Er werde nicht Teil der neuen Regierung sein. Wauquiez bringt sich derzeit als Präsidentschaftskandidat in Stellung und könnte Sorge gehabt haben, dass die kommende Regierung nicht lange an der Macht bleiben werde.
Streit gibt es um die mögliche Ernennung der konservativen Senatorin Laurence Garnier, die in der Vergangenheit gegen die Aufnahme der Freiheit zur Abtreibung in die Verfassung und gegen die Kriminalisierung von so genannten Konversionstherapien für Homosexuelle gestimmt hatte.
Nach bisherigen Informationen soll lediglich ein Vertreter des linken Lagers an der Regierung beteiligt sein, und zwar ausgerechnet der derzeitige Chef der Transparenzbehörde, die für die Überprüfung möglicher Interessenkonflikte der Regierungsmitglieder zuständig ist. Der ehemalige sozialistische Abgeordnete Didier Migaud ist als Justizminister im Gespräch.
Barnier hatte Schwierigkeiten, linksgerichtete Politiker für sein Kabinett zu gewinnen. Mehrere linke Politiker erklärten, dass sie Angebote Barniers abgelehnt hätten. Das links-grüne Wahlbündnis Neue Volksfront lehnte die Zusammenarbeit mit Barnier ab, da es sich durch die Ernennung eines konservativen Premierministers seines Wahlsiegs beraubt sieht.
Angesichts der schwierigen Mehrheitsverhältnisse hatte die Regierungsbildung sich länger hingezogen als üblich. Zu den Inhalten von Barniers Politik wurde bislang so gut wie nichts bekannt. Barnier will Anfang Oktober eine Regierungserklärung in der Nationalversammlung abgeben.
Barnier hatte mit Macron bis zuletzt über die Zahl der Regierungsposten für seine eigene Partei der Republikaner gestritten. Macron soll seinen Wunsch zurückgewiesen haben, sowohl das Wirtschafts- als auch das Innenministerium mit Politikern seines Lagers zu besetzen. Die Republikaner waren bei der vorgezogenen Parlamentswahl im Juli lediglich auf 47 der 577 Abgeordneten gekommen.
Seit dem unklaren Ausgang der Wahl befindet sich Frankreich in einer der tiefsten Regierungskrisen der jüngeren Zeit. Die derzeitige Regierung ist seit zwei Monaten nur noch geschäftsführend im Amt. Die Nationalversammlung ist in drei verfeindete Blöcke gespalten - das linke Lager, das bisherige liberale Regierungslager und die Rechtspopulisten von Marine Le Pen.
G.Vaidya--BD