Lindner peilt Rückkehr in Bundesregierung an - als Partner der Union / Foto: THOMAS KIENZLE - AFP
FDP-Chef Christian Lindner hat seine Partei zu einer Aufholjagd in den sieben Wochen bis zur Bundestagswahl aufgerufen. Als Ziel gab Lindner in seiner Rede beim Dreikönigstreffen der FDP am Montag in Stuttgart die Rückkehr in die Bundesregierung aus - diesmal an der Seite der Union: "In dieser politischen Situation gibt es einen wirklichen Politikwechsel nur in einer Koalition von CDU/CSU und FDP", sagte er.
Angesichts der aktuellen Umfragen, die die FDP unter der Fünf-Prozent-Marke sehen, rief Lindner die Liberalen zu Zuversicht auf. Die Perspektive einer Regierungsbeteiligung "mag manchen angesichts der Umfragen noch wenig realistisch erscheinen", sagte er. "Man führt aber Wahlkämpfe nicht, um Umfragen zu bestätigen. Man führt Wahlkämpfe, um Umfragen zu ändern."
Lindner räumte ein, dass die FDP nach dem Bruch der Ampel-Koalition im November auch durch eigene Fehler öffentlich in Misskredit geraten sei. Nach dem Ampel-Aus sei die Partei "unsouverän und auch unprofessionell mit Indiskretionen, mit menschlichen Enttäuschungen und mit den gezielten Kampagnen unserer politischen Gegner umgegangen", sagte er. "Niemand bedauert es mehr als ich, dass die Deutung über Ende der 'Ampel' sehr stark von unseren politischen Gegnern bestimmt wird."
Damit spielte Lindner offenbar auf das Bekanntwerden interner Strategie-Überlegungen zu einem gezielten Bruch der Ampel-Koalition an. Das so genannte D-Day-Papier hatte den Eindruck geweckt, dass die FDP den Ausstieg aus der Koalition mit SPD und Grünen von langer Hand geplant hatte. Bei anderen Parteien hatte es für große Empörung gesorgt.
Den Bruch der Koalition stellte Lindner in seiner Stuttgarter Rede als unausweichlich dar - weil die FDP in der Wirtschaftspolitik eine grundsätzlich andere Linie verfolgt habe als SPD und Grüne: "Ich werde mich nicht dafür entschuldigen, dass wir es zum Ampel-Aus haben kommen lassen." Was er aber bedaure sei, dass die FDP als Teil der Koalition bei einigen Themen nicht konsequent genug aufgetreten sei, sagte Lindner.
Der FDP-Chef führte dazu aus: "Vielleicht hätten wir seinerzeit um des Koalitionsfriedens willen nicht zustimmen dürfen bei der Frage der Kernenergie, vielleicht hätten wir unsere Bedenken hinsichtlich der Konsequenzen des Bürgergelds vehementer gegen die SPD durchsetzen müssen, vielleicht hätten wir das Heizungsgesetz nicht im Kabinett verabschieden dürfen, um Robert Habeck einen Gefallen zu tun, vielleicht hätten wir gar nicht so lange über das Demokratiefördergesetz verhandeln dürfen, als es einfach nur abzusagen, vielleicht hätten wir die Wucht des Haushaltsurteils nehmen müssen, als der 60-Milliarden-Euro-Buchungstrick von Olaf Scholz für verfassungswidrig erklärt worden ist, um die Koalition neu zu verhandeln - das mag sein."
Nach den Turbulenzen rund um den Koalitionsbruch versuchte Lindner bei der traditionellen Kundgebung in der Stuttgarter Oper aber auch, den Blick nach vorne zu richten und seine Partei auf die Machtoption Schwarz-gelb einzustimmen. "Wir brauchen nicht nur einen Kanzlerwechsel, wir brauchen einen Politikwechsel in Deutschland", sagte er.
Wenn ein künftiger CDU-Kanzler Friedrich Merz mit Grünen oder SPD regierte, wäre dies "nur Ampel light", warnte der FDP-Chef. Die FDP hingegen werde gebraucht als überzeugt marktwirtschaftliches Korrektiv einer unionsgeführten Bundesregierung, denn die CDU/CSU sei ein "politisches Chamäleon" und nehme "in Koalitionen immer die Farbe ihres jeweiligen Koalitionspartners an".
Ein Potenzial von zusätzlichen Stimmen für die FDP sieht Lindner in der Anhängerschaft von AfD und BSW, die er gezielt ansprechen wolle - mit der Perspektive einer Wirtschaftswende, einer stärkeren Kontrolle der Migration und einer Betonung von Freiheit statt Bevormundung. "Man würde viele gemäßigte Wählerinnen und Wähler treffen, die dann statt AfD und BSW wieder zurück ins demokratische Zentrum kommen", sagte Lindner. "Um die geht es mir." Angesichts des öffentlichen Gegenwinds müsse sich die FDP selbstbewusst auf den liberalen Kernbestand ihrer Programmatik besinnen.
R.Kohli--BD