Menschenrechtsgericht verurteilt Frankreich wegen Festhaltens an "ehelicher Pflicht" / Foto: Frederick FLORIN - AFP/Archiv
Weil ein französisches Gericht in einem Scheidungsverfahren auf die "eheliche Pflicht" zum Geschlechtsverkehr verwiesen hatte, hat der Europäische Gerichtshof am Donnerstag Frankreich verurteilt. Die "eheliche Pflicht", wie das französische Gericht sie darstelle, berücksichtige nicht, dass Einvernehmlichkeit Voraussetzung für jeglichen Sex sei, betonten die Richter in Straßburg. Sie gaben der Klägerin recht, die dagegen protestiert hatte, dass sie in ihrem Scheidungsverfahren schuldig gesprochen worden war, weil sie Sex mit ihrem Mann abgelehnt hatte.
Die Existenz einer "ehelichen Pflicht" stehe "im Widerspruch zur sexuellen Freiheit und zum Recht auf den eigenen Körper", heißt es in der Urteilsbegründung. Jeder Geschlechtsverkehr ohne Zustimmung sein ein Akt sexueller Gewalt, betonten die Richter.
"Ich hoffe, dass diese Entscheidung einen Wendepunkt im Kampf für die Rechte der Frauen in Frankreich darstellt", ließ die 69 Jahre alte Klägerin über ihre Anwältin Lilia Mhissen mitteilen. Diese Entscheidung bedeute die Abschaffung der "ehelichen Pflicht" und der archaischen Vorstellung von Familie, betonte Mhissen.
Eine zweite Anwältin der Klägerin sagte, mit der Entscheidung des Menschenrechtsgerichts werde klargestellt, "dass Ehe nicht gleichbedeutend mit sexueller Dienstbarkeit ist". Die Entscheidung sei auch deshalb von großer Bedeutung, weil fast jede zweite Vergewaltigung innerhalb einer Ehe oder einer Beziehung stattfinde.
Die Klägerin hatte 1984 geheiratet und mit ihrem Mann vier Kinder bekommen. 2012 reichte sie die Scheidung ein. Während sie ihrem Mann vorwarf, nur seine Karriere verfolgt zu haben, argumentierte er, dass sie jahrelang keinen Sex mehr gehabt hätten. In einem Berufungsverfahren wurde die Frau deswegen die Alleinschuld für das Scheitern der Ehe zugesprochen.
Das Festhalten der französischen Richter am Begriff der "ehelichen Pflicht" bedeute eine Verletzung des Menschenrechts auf Privatleben, urteilten die Richter. Frankreich wurde deswegen verurteilt. Eine Strafe folgt daraus nicht.
L.Apte--BD